Mein Krankheitsverlauf nach der Impfung hin zu ME/CFS

Keiner kennt's und wenn es da ist, ist das alte Leben weg.
Einführung
Der Krankheitsverlauf war eine Achterbahnfahrt - hier dargestellt mit Hilfe der Bellskala:
Vor der Krise
Es ging mir in meinem Leben noch nie so gut wie mit 49: Die Kinder standen weitgehend auf eigenen Füßen, der Hof entwickelte sich weiter, Allergien und Nahrungsmittel–unverträglichkeiten waren verstummt und die "Coronaruhe" hatte mich wieder mit mir selbst mehr in Kontakt gebracht.
Beruflich hatte ich mit all den Maßnahmen für meinen Arbeitsbereich einiges geleistet und nebenbei eine Weiterbildungsmaßnahme absolviert, die dazu führte, dass nun ich selbst andere Führungskräfte aus- und weiterbilden sollte...
Wir hatten inspirierende Menschen kennen gelernt-
Es lief mehr als rund...
Auch die zweite Impfung steckte ich anscheinend gut weg. Die Ärztin entschuldigte sich, dass sie ein Blutgefäß getroffen hatte. Ich winkte ab und empfand das als unproblematisch. Dass die Impfcharge, die ich erhalten hatte, besonders viele Nebenwirkungen hervorrufen würde, ahnte ich natürlich nicht. Ohnehin war ich aus diversen persönlichen Gründen den mRNA- Impfstoffen sehr positiv gegenüber eingestellt.
Die unfassbar heftigen Menstruationsblutungen in den folgenden beiden Zyklen schob ich auf mein Alter, die Schmerzen im rechten Fuß auf den Wanderurlaub in den Alpen, bei dem ich mich nicht geschont hatte.

Anfang September schlug im linken Auge eine heftige Lederhautentzündung zu. Der Augenarzt vermutete eine Autoimmunreaktion und verordnete eine wochenlange Ibuprofeneinnahme, welche nicht zu einer Besserung führte.- Ganz im Gegenteil...
Nach der Impfung
Alles beginnt recht unscheinbar
Sommer 21
Auch der Herbst startete noch recht gut mit einem Kurzurlaub auf unserer Lieblingsinsel. Am 19. Oktober merkte ich dann bei der Gartenarbeit, dass sich da etwas gewaltiges Virales in mir zusammenbraute. Das Meeting, was zwei Tage später angesetzt war, sagte ich noch gerade ab und legte mich eine Stunde später ins Bett. Der Corona-Selbsttest blieb negativ. Ich wunderte mich nicht. Laut Presse gingen Rhinoviren um. Fünf Tage zuvor hatte ich mit einer gerade wieder fast genesenen Kollegin lange eng zusammen gearbeitet.

Zwei Wochen lag ich mit starken Gliederschmerzen, Schüttelfrost, Schnupfen und Mattigkeit danieder.- "Erkältung halt" dachte ich, da auch weitere Coronaschnelltests nicht anschlugen.

Ich versuchte wieder zu arbeiten. Das war echt anstrengend. Das könne mal sein, dass man länger benötige um wieder auf die Beine zu kommen, war die einhellige Meinung von Hausarzt und Heilpraktikerin.

Meine Familie bekam Magen- Darm. Ich auch. - Das war nicht hilfreich, denn auch ich war noch immer sehr schlapp. Wieder musste ich mich krank schreiben lassen, wieder riet man mir von ärztlicher Seite zu Geduld. Ich solle doch spazieren gehen. - Ich hatte Zweifel, ob das überhaupt möglich sei, aber man erklärte mir, dass ich nur so Herz und Kreislauf wieder in Gang bringen könne. -Der kürzeste "Rundweg" bei uns misst 1,2km. Auf diesem Parcour musste ich mich dreimal hinsetzen.

Familienmitglieder bekamen wieder Infekte. Ich merkte nur noch, dass ich noch weniger machen konnte. Ich nahm mir vor, 3x am Tag zumindest 20 Minuten nicht zu liegen und diese "Aktivitäten" dann tageweise zu steigern. Ich hielt meine Planung genau einen Tag durch, dann musste ich erkennen, dass selbst dies meinen Körper stark überforderte.
Über viele Wochen waren mir nur Toilettengänge möglich und (mein Heiligtum, für das ich sämtliche Tagesenergie zusammenraffte:) kurze gemeinsame Zeit beim Essen mit der Familie. Ich konnte entweder einen Arztbesuch absolvieren oder duschen. Ich ließ mich die 5km zu meinem Hausarzt fahren, an manchen Tagen musste das Zähneputzen ausfallen, weil mir die Kraft hierfür fehlte.
Infekte, Infekte, Infekte...
Da passt doch was gewaltig nicht...
Herbst 21
Ich lag- mal hier und mal da- aber ich lag! Dennoch war ich fest entschlossen die Zwangspause möglichst klug zu nutzen, doch es war nicht einfach Beschäftigung zu finden, die in meinem Zustand umsetzbar war. Ich richtete mir zum Aufbrechen der Tristesse drei Liegeplätze ein: Lesesofa, Singbett und Familiensofa. Erst nach zwei Wochen dämmerte mir, dass ich zwar eifrig die Seiten meiner Bücher umblätterte, aber keinerlei Informationen daraus abspeicherte.
Besser hat das "Singbett" funktioniert. Anfangs konnte ich nur ein paar Takte singen, bevor ich erschöpft aufgab. Ich hatte aber den Eindruck, dass sich sowohl meine Atmung und auch die Fähigkeit Gefühle zu empfinden wieder verbesserten. Das war ein seltsamer Zustand. Ich hatte keine Angst, aber auch keine anderen Gefühle, ich war einfach nur (völlig erschöpft) noch da.
Das "Familiensofa" nutzte ich am Nachmittag, wenn die anderen auch da waren, sodass ich ein wenig von meiner Familie mitbekam. - Als Weihnachten dann alle da waren, wurde mir jedoch schmerzlich bewusst, dass mir sogar meine Liebsten zu viel waren und ich deren Gespräche, deren Lachen und auch deren Sorgen um mich nur schwer ertragen konnte. Im kommenden Jahr sollte mich dies durchgängig begleiten, sodass ich auch hier verstärkt gezwungen war, Lösungen zu finden.
Mitte Dezember hatte sich herausgestellt, dass meine Werte für Vitamin D und B12 völlig im Keller waren. Mein Arzt verschrieb mir beides in schulmedizinisch üblicher Dosierung und ich hatte nach der Einnahme das Gefühl, dass für einen klitzekleinen Moment eine minimale Besserung eintrat.- Also nutzte ich diese Minuten um mich über beide Vitamine zu informieren: Ich las also über den weit verbreiteten Vitamin D Mangel in Deutschland, fragwürdige Richtwerte, mir erschreckend bekannte Symptome des Mangels und immer wieder von Menschen, die Vitamin D hochdosiert zu sich nahmen. -
Ich gebe hier keinerlei Heilsversprechen ab. Deutlich weise ich darauf hin, dass ich aus wochenlanger völliger Bettlägerigkeit kam. Ich konnte weder Fruchtzucker, noch Laktose, noch Kohlenhydrate vertragen und hatte trotz fortwährendem Durchfall in rasantem Tempo 10kg (seit der Impfung waren es 15kg) zugenommen. Mein wirklich sehr netter Hausarzt stand meiner Problematik recht hilflos gegenüber. In dieser Situation also entschloss ich mich- angeleitet durch das Buch von Dr. med. Raimund van Helden- die für mich passende Dosis (+Sicherheitspuffer) auf eigene Kappe auszuprobieren. Da mein Wert bei 13ng/ml lag und ich bei einer Überdosierung vergleichbare Symptome haben würde, wie bereits vorhanden, wagte ich es 5 Tage lang 60.000IE einzunehmen. - Erst 1,5 Jahre später stieß ich übrigens auf den Zusammenhang zwischen Vitamin D-Mangel und Gewichtszunahme...

Zwei Tage nach der ersten Kapsel konnte ich beim Besuch einer lieben Bekannten fast zwei Stunden sitzen und dabei sogar mit ihr sprechen. Das war für mich echt ein Wunder. Der Arztbesuch drei Tage zuvor hatte mich noch völlig umgehauen...
Von nun an ging es deutlich aufwärts. Ich nahm weiterhin höhere Dosierungen beider Vitamine zu mir und mein Allgemeinzustand verbesserte sich von Tag zu Tag. Da war allerdings wirklich Vieles aufzuholen...

bettlägerig
Was macht eigentlich das Leben aus?...
Winter 21/22
So glatt, wie die See bei der Überfahrt nach Spiekeroog war, so ruhig wurde auch der Kurztrip vor Ostern dorthin. Dass dieser aber überhaupt möglich war, hatte einiges an Vorarbeit erfordert:
Mein Hausarzt hatte mir empfohlen eine Stuhlprobe Im Labor untersuchen zu lassen. Die Ergebnisse zeigten einen Leaky Gut, NAFL (nicht-alkoholische Fettleber) und Dysbiose. Ich war nicht wirklich in der Lage, die 11 Seiten Untersuchungsergebnisse richtig zu verstehen und einzuordnen und suchte eine befreundete Gesundheitsberaterin auf, um zielgerichtet mit den Ergebnissen weiter arbeiten zu können. Auf zellulärer Ebene startete ich mit Supplementierung von Vitaminen und Mineralstoffen. Tee für die Entgiftung und Silymarin zur Stärkung der Leber halfen die permanente Übelkeit und das Druckgefühl im Oberbauch zu lindern. Lymphdrainage half dem Gewebe und dem Lymphabfluss und andere Handgriffe linderten den Muskelschmerz. Auch Entzündungen wanderten durch den Körper und ich konnte wöchentlich neue Symptome benennen.
Meine Erschöpfung besserte sich in so weit, dass ich nun überhaupt erst bemerken konnte, dass ich Schwierigkeiten mit Bewegungsabläufen und deren Einschätzung hatte. Ich nahm mir einen Personaltrainer, der auf Rehabilitierung spezialisiert war und begann mit diesem - zu Beginn weitgehend im Liegen- zu trainieren.
Meine Verdauungsbeschwerden hielten an. Massive Durchfälle, Übelkeit und Schmerzen waren weiterhin meine Begleiter. Die Entzündungen durchwanderten den gesamten Verdauungstrakt. Die Gewichtsabnahme von mehr als 500g pro Woche war von mir nicht zu steuern. Ich experimentierte mit meiner Ernährung. Einen positiven Effekt brachte die radikale Reduzierung von Kohlenhydraten, was durch den nicht unerheblichen Leidensdruck erleichtert wurde und die Budwigcreme (meine Variante: Leinöl, Quark, oft Beeren, Nüsse, Zimt oder Kurkuma).
Ein Aminogramm zeigte auf, dass ich einen starken Unterhang an Arginin hatte, also substituierte ich. Mit Milchkefir und anderen Bakterien versuchte ich die Dysbiose im Darm wieder zu richten. Meine Energie stieg langsam weiter an, die gastrointestinalen Beschwerden besserten sich deutlich.
Ich war der dusseligen Meinung: Wer sitzen kann, kann auch arbeiten... Also begann ich Ende Februar mit der Wiedereingliederung- im Rückblick war das viel zu früh. Aber Rumsitzen hat noch nie zu meinen Stärken gehört...
Ich las viel in Büchern und immer, wenn mir ein Hilfsmittel passend erschien, kaufte ich. Irgendwann fiel mir auf, dass mein Hirn gar nicht in der Lage war, all die Informationen zu vernetzen, auch hatte Frau Dr. med. Helena Orfanos-Boeckel in ihrem sehr guten Buch "Nährstofftherapie" gut beschrieben, dass man bei Erschöpfung einiges tun könne, dies aber von einem Fachmann angegangen werden müsse und Selbstmedikation zu kompliziert sei. - Also musste ein Arzt her, der mein unzuverlässiges Hirn für mich in meinem Sinne unterstützen würde. Ich suchte deutschlandweit nach Orthomolekularmedizinern, aber niemand hatte freie Kapazitäten. Eine erneute Recherche zeigte mir dann eine international agierende Privatpraxis in meinem Wohnort. Dort rief ich an und man sagte mir einen Termin in 6 Monaten zu. - Immerhin!
Vor Ostern war ich wieder bei einer vollen Stelle. Im Kurzurlaub konnte ich sogar wieder kurze Strecken spazieren gehen und ich ging davon aus, dass das Genesungstempo so beibehalten würde. Pustekuchen! Es klappte leidlich und das auch nur, weil in meinem Leben jetzt außer Arbeit und völlig ermattetem Ausruhen wirklich gar nichts anderes mehr stattfand.
die Verdauung spielt verrückt
Kann man sich überhaupt noch gesünder ernähren?
Frühjahr 22
Wir hatten für den Sommerurlaub erneut die Hochalpen gebucht. Mir dämmerte schon, dass ich gewohnte Touren nicht würde gehen können, aber so ein bisschen Bergwandern (mit vielen Pausen) wollte ich schon. Da sich auch meine Herkunftsfamilie mit angesagt hatte, beschloss ich mich bei Bedarf einfach den Senioren bei der Tagesgestaltung anzuschließen. - Doch auch bis dahin war es ein weiter Weg.

Nur sehr allmählich kleckerte die Einsicht in mein Hirn, dass ich die tägliche Arbeit zwar irgendwie überstehen könnte, diese mich aber auf kurz oder lang wieder in die Waagerechte zwingen würde. - Und da hatte ich wahrlich schon genug Zeit verbracht, fand ich. "Schuld war" dass ich nach der Arbeit einen Anamnesebogen für den neuen Orthomolekularmediziner ausfüllen sollte und daran kläglich scheiterte. - Einfach, weil ich keine Energie für die notwendigen Gedankengänge mehr übrig hatte.

Dennoch kam ich mir echt vermessen vor, als ich Rat bei unserer Schwerbehindertenbeauftragten suchte und von einer "halben Stelle" aus gesundheitlichen Gründen sprach... -wissend, dass das bei meinen Aufgaben (und auch bei meiner Persönlichkeit) inhaltlich mehr als schwierig werden würde.

Als Entscheidungshilfe bekam ich erst einen Pickel (!) unter der Lippe, der den zuständigen Lymphknoten so anschwellen ließ, dass der Druckschmerz echt ne Nummer war. Dann hatte ich eine sehr schmerzhafte Schulterentzündung. - Ich lies mich ein letztes Mal von meinem alten Hausarzt krankschreiben. Zum Glück hatte sich der Termin beim neuen Arzt nach vorne verschoben und ich hoffte da auf neue Ideen.
Der "neue" Arzt nahm seine Arbeit auf und stellte mir einen netten Cocktail diverser Nahrungsergänzungsmittel zusammen. Seine Akupunktur ließ mich zunächst völlig erledigt zurück. Mit wildem Rumgeklopfe (Klopfakupressur?- nehmt es, wenn ihr es kriegen könnt. Ich fand es großartig!) schaffte er es kurzzeitig meine Energie zu erhöhen. Leider nur für kurze Zeit. Schön war zunächst vor allem, dass meine seit Ewigkeiten währenden Hüftschmerzen durch seine Handgriffe komplett verschwanden.
Ich fühlte mich dort gut aufgehoben, er hörte mir zu, nahm sich Zeit, sagte von sich, dass er hartnäckig sei und wir noch Vieles ausprobieren könnten. So ging ich in den Sommerurlaub.

Tja, wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mich im Urlaub wohl mit dem Seniorenprogramm übernommen. Tapfer hatte ich die anderen alleine aufs Spronser Joch steigen lassen. Die Schneidalm- unsere Lieblingsalm- konnte ich mir jedoch nicht verkneifen. Auch wenn ich beim steilen Aufstieg mehrfach ans Abbrechen dachte, waren die Verlockung auf "ein Brettl" und die grandiose Flora beim Abstieg mir Anreiz genug. - Antriebslosigkeit gehört eben nicht zu den bei mir vorliegenden Symptomen.
Beim Puzzeln mit meiner Tochter legte sie die Stirn in Falten und ich jedes Teil unabhängig von Farbe oder Form an... Also begann ich nach dem Urlaub mein tägliches Puzzletraining zur Verbesserung der Mustererkennung, verbrachte die notwendige Erholungszeit am Nachmittag mit AVWF und Neurografik. Mein geliebter Garten zeigte seine Fähigkeiten zum Wildwuchs und ich verbrachte die meiste Zeit des Tages im Liegen auf der Terrasse.
ich arbeite Vollzeit
Jetzt muss das aber auch mal gut sein!
Sommer 22
Ein Kurzurlaub gab mir das Gefühl, bald wieder Bäume ausreißen zu können, doch die Freude währte nur ein paar Tage. Nach wie vor war die Fatigue das Symptom, was meinen Alltag am meisten bestimmt. Aber hey! Ich konnte in ebenem Gelände wieder 2km am Stück laufen, ohne dass mein Puls mich für einen Bergsteiger hielt. (Das sollte allerdings nicht so bleiben.) Aufstehen und stehen oder sprechen beim Gehen fand mein Puls schlimmer und ich schätzte mich wirklich glücklich, dass mein Leben nicht aus permanenten Sektempfängen und Cocktailpartys bestand.
Nach dem Urlaub ging ich einen Tag in die Schule und musste erkennen, dass ich das nicht mehr packte. Ich suchte meinen neuen Arzt auf und ließ mich krankschreiben. Was soll ich sagen...- seitdem sehen wir uns einmal die Woche, sodass er neben meiner Familie mein häufigster Sozialkontakt ist. Oh Mann! Das hatte ich mir aber auch nicht so gewünscht...

Die Symptomatik rund um Puls und Kognition wurde zunehmend krasser. Als ich meine Ausscheidungen nicht mehr halten konnte, war ich schockiert. So wollte ich nicht leben!
Ich erkannte mit Hilfe diverser Internetseiten und Podcasts, , dass Pacing etwas anderes meinte als meine lächerlichen Ausruhversuche und ordnete mir strikte Bettruhe an. Das half! Ich versank in Trauer, da ich nicht mehr leugnen konnte, dass ich mein altes Leben würde zunächst aufgeben müssen. Es blieb so krass wenig übrig, an dem ich Freude hatte, da all diese Dinge in irgendeiner Weise Aktivität oder Energie von mir verlangten...
und wieder komplett zu Hause
Mit Job reicht die Kapazität nicht zur Genesung!
Herbst 22
Ich war erschöpft vom Kampf um Genesung. Ich wollte nicht mehr jede Handlung daran messen, ob sie meinen Körper weiter bringen würde. Es war sooo anstrengend. Andere hatten Wochenenden oder Ferien. Aus meinem Alltagskampf gab es aber nie ein Entkommen. Hatte ich einen Tag zu Ende gebracht, so war klar, dass sowohl die Nacht, als auch der nächste Tag weitere krasse Herausforderungen bieten würden.

Die Facharztbesuche (Gastroenterologie, Kardiologie, Neurologie) brachten ungeheuer viel Anstrengung, aber nichts Hilfreiches. Ich beschloss, dieses Feld nicht weiter zu beackern und zog mich aus der Welt der wilden Informationssammlung und des Heilung vorantreiben zurück. Psychisch war dies die bisher schwierigste Phase. Ich wollte keine Ziele haben müssen, sondern so o.k. sein, wie ich bin. Ich war all die Selbstoptimierung so unfassbar leid.

Störfeldtherapie und Nikotinpflaster halfen mir, mich nach und nach zu festigen.
Leben mit Resthirn
Trauer um das alte Leben
Winter 22/23
Erneut gab es einen Kurzurlaub und ich schaffte es 15 km an einem Tag zu gehen. Ich war aus dem Häuschen und fühlte mich fast komplett genesen. Ein paar Tage später bekam ich die heftigste Sinusitis meines Lebens. Die Kopfschmerzen waren immens... Eine Behandlung des betreffenden Störfeldes brachte sofortige Besserung. Da war ich wirklich beeindruckt. Doch dann folgten sehr schmerzhafte Sehnenscheidenentzündungen im rechten Arm und ich wurde wieder zurück geworfen. Nach hochdosiertem Niacinamid besserte sich mein Energielevel. Ich war begeistert. Wenn man statt 3-4 Stunden plötzlich 4-5 Stunden am Tag nicht liegen muss, dann ist das eine immense Verbesserung. Leider fiel mein Hirn direkt wieder in alte Muster: Es reichte ihm nicht. Ich wollte wieder alles, machte zu viel und das Allgemeinbefinden wurde wieder schlechter. Ich verstand nicht, warum ich so extrem schlecht lernfähig war...

Mein Puls stieg mittlerweile nicht mehr nur beim Aufrichten verrückt, auch der Ruhepuls stieg zunehmend. Vor allem Nachts waren die Folgen deutlich zu spüren. Betablocker schafften deutliche Entlastung, nachdem die passende Dosierung gefunden war.

Es gab Hinweise, dass in mir der Erreger der Tularämie sein Unwesen trieb. Von daher musste eine neue Therapie her. Antibiotika nehme ich nur im Notfall, von Homöopathie bin ich trotz toller Erfolge bei Kindern und Tieren nur begrenzt überzeugt, aber Pflanzen gehen bei mir immer...

ständig neue Entzündungen
Hoffnung, aber bitte nicht zu viel!
Frühjahr 23
An den heißesten Sommertagen stand ich in Unterwäsche und Stützstrümpfen im Gewächshaus. Die Hitze machte mir nicht mehr aus, als in den anderen Jahren, aber ohne Stützstrümpfe ging es keine 15 Minuten. Mein Sohn bekam sein Abschlusszeugnis, 2 h sitzen waren für mich so viel Anstrengung, dass der Tremor in Armen und Beinen im Anschluss fast schon an einen epileptischen Anfall erinnerte. Der Saft in meinem Glas schwappte heftig... Unsere Silberhochzeit wurde in ein schönes Familienfrühstück umgewandelt, bei dem ich liegen, essen und quatschen konnte. Nach zwei Stunden war der Spuk vorbei und ich hatte das gut überstanden...
Der gebuchte Urlaub nahte und ich musste erkennen, dass mir die lange Anfahrt echt Sorgen bereitete. Natürlich würde ich mich fahren lassen, aber sitzen musste ich ja schließlich selbst...
Der Tag vor dem Urlaub ist bei uns immer besonders stressig, weil wir ja zusätzlich zum Einpacken auch immer noch irgendwie den Hof so verpacken müssen, dass unsere Vertretung durch alles durchsteigt. In Ruhe in Urlaub fahren gibt es deshalb bei uns nicht. Das hat mir nie etwas ausgemacht. Oft haben wir den Abend vorher noch Getreide gemäht und ich alles (auch die Sachen meines Mannes) alleine gepackt.- Undenkbar! Gerade so habe ich es hinbekommen meine Kleidung und Medikation einzupacken. Letzteres war eine echte Herausforderung. Morgens vor der Abfahrt dringt der Stress, den der Gatte ausdünstet, ungefiltert in mich ein, sodass ich es kaum ertragen kann. Ich kann diesen nicht als für mich irrelevant ausfiltern...
Wir haben für mittags eine Schlafgelegenheit bei entfernter Verwandtschaft für mich aufgetan. Auch da gelingt es mir nicht die fremden Gerüche auszublenden. Wie kommt es, dass die Reizfilterung plötzlich nicht mehr klappt? Liegt es daran, dass ich Nikotin jetzt abgesetzt habe? Die Herzratenvariabilität jedenfalls scheint es mir zu danken...

In den Alpen kann ich dann ca. 9km in 3h "wandern", wenn ich geschickt vorgehe: 30 Minuten Weg und dann ca. 20 Minuten Liegepause. Wir kommen so zwar nicht schnell voran, aber ich habe auch noch nie so viele Genussmomente zwischen Zittergras und Orchideen gehabt...  Natürlich tut es mir überall weh, auch an nächtlichen Schlaf ist kaum zu denken. Dennoch überwiegt all das Schöne deutlich!
Der Sommer wird in unseren Breiten ein sehr nasser. Ich komme bestens mit dem Wetter zurecht. Mein inflexibles Hirn lässt Verschiebungen in meiner kalendarisch festgehaltenen Baseline aber nicht zu und so stehe ich manches Mal und erledige meine Gartenarbeiten auch im Regen.- Zum Glück haben wir große Bäume im Garten.
Das LDN steigert meine Aktivitätszeiten pro Tag zwischenzeitlich auf 7,5 h, bevor sie wieder auf 5,5h fällt und damit all der Frust zurück kommt. Zum Ende des Sommers wage ich eine erneute Dosiserhöhung, dieses Mal langsamer, um nicht wieder so einen Psychocrash erleben zu müssen. Ein lange versprochener Familienbesuch in Hamburg mit Musicalbesuch klappt Dank guter Copingstrategien!
Fazit zum Ende des Sommers: LDN lindert fast alle Symptome und hat wirklich Einfluss auf die Fatigue. Mein sensationeller Arzt ("nur" Allgemeinmediziner, aber hartnäckig, neugierig und interessiert und nen echt feiner Kerl) hat noch weitere Ideen, was ich ausprobieren kann. Ich werde bestellen und gegebenenfalls berichten...

langsam wird es mehr Energie
Ich traue mich kaum, dem Braten zu trauen...
Sommer 23
Puuh, stehe ich besser da? Als wann? Als im Februar bestimmt. Aber hat sich seit Juni etwas verbessert??? Gerade habe ich trotz erhöhter LDN Dosis wieder viel mit Fieberschüben und Atemnot zu kämpfen. Die Muskelschmerzen sind fast weg, die Nebenhöhlenentzündung dagegen allgegenwärtig. Ich habe das Tracken meiner Symptome aufgegeben, einfach, weil ich nicht mehr krank sein WILL.- Man hört ja, dass dies hilfreich sein soll. (Ja, ist Blödsinn, weiß ich.)

Über mir schwebt das Schwert der Dienstunfähigkeit. Ich muss gestehen, dass ich an meinem Job erstaunlich hänge, wohl wissend, dass dieser weder gesundheitsfördernd, noch mit reduziertem Engagement durchführbar ist. Ich komme mir vor, wie ein Soldat, den man im Lazarett mühsam zusammenflickt und der begeistert wieder in den Krieg zieht. - Naja, man kann nicht immer klug sein...- Aber noch steht diese Frage ja gar nicht zur Debatte. Ich könnte keine 1,5h am Schreibtisch sitzen, geschweige denn, dabei noch etwas Sinnvolles denken...
Drei Tage Spiekeroog lassen mich nachdenklich werden: die zurückgelegte Tagesstrecke ist geringer geworden. Ohne eine lange Mittagspause mit Meditation geht zurzeit nix. Mein Körper ist extremst unflexibel...
Also probiere ich weiter alle möglichen NEMs aus und erweitere sukzessive meine Baseline, meist ohne es wahrzunehmen und deshalb ohne Möglichkeit mich dafür zu feiern.

Habe ich deutlich gemacht, dass ich mich so semi finde und ich meine, dass es nun genug sei mit meinem Selbstfindungstrip???
Dankbar bin ich nach wie vor für meinen Arzt, wir werden mit LDA das nächste Projekt angehen. Er liest sich in meine Vorschläge ein und gleicht alles mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen ab. - Das ist sicherlich mehr, als ich erwarten kann...
im Schneckentempo weitere Verbesserung
Meine Güte, da ist ja ein ganz neues Maß an Geduld gefordert...
Herbst 23
Dieser Winter war der erste von drei Wintern, in dem ich nicht nahezu komplett bettlägerig war. Allerdings gab es auch in diesem Jahr eine deutliche Zustandsverschlechterung, welche ich stark auf die Anfang Dezember mich erstmalig ereilende Coronaerkrankung und einen weiteren Infekt Anfang Februar schiebe. Im Vergleich zu den beiden Jahren davor, war das aber nichts.
LDN wirkt auf Entzündungen und Fatigue, LDA tut mir für mein Köpfchen gut, bei Infekten oder Pickeln helfen nach wie vor Nikotinpflaster und als neuster Versuch ist Lithium mit zu meiner Medikation gestoßen.- Für eine Bewertung ist es da noch zu früh.
Ich kann ca. 6-7h am Tag aktiv sein, wenn ich die Aktivitäten in 30 Minuten Häppchen zerlege. Es macht mich glücklich, dass ich wieder in der Lage bin, Musik zu hören. Nach wie vor erfüllt mich Gartenarbeit bei jedem Wetter und in noch kürzeren Häppchen klappt auch Kreatives an Webstuhl und Nähmaschine wieder.
Beruflich tut sich gerade etwas und ich werde sehen, was am Ende dabei herauskommt, ein Standardarbeitsplatz wird für mich nicht funktionieren... Seit Oktober stecke ich in einem mutmachenden Coaching, was bei mir Rehafunktion mit übernimmt. Das gefällt mir total gut, weil all meine quälenden Fragen aufgenommen werden und auch meine kognitiven Defizite im Umgang mit offiziellen Stellen durch Beratung innerhalb meiner wöchentlichen Online-Sitzungen aufgefangen werden.

einen Schritt vor und zwei zurück?
Ich würde so gerne wieder arbeiten...
Winter 23/24
So langsam habe ich mich vom Winter wieder erholt. Noch immer bin ich aber nicht auf dem Level, wie vor meiner Coronaerkrankung Anfang Dezember...
Nach wie vor nehme ich LDN, LDA und Betablocker ein. Wir testen Ivermectin und Methylenblau. Bei letzterem meine ich eine Wirkung zu spüren. Ohne MSM habe ich nach wie vor Schmerzen.- Mittlerweile bin ich Fan vom TENS-Gerät, was mir die Schmerzen deutlich erleichtert.

Durch geschicktes Coping und Hin- und Herschieben meiner Aktivitäten bin ich in meiner Wahrnehmung den ganzen Tag aktiv, kann aber nach wie vor nur in 30 Minuten-Häppchen loslegen. Ich liege viel auf der Terrasse und mache meine Gartenarbeit im Knien, das klappt gut. Aufrecht sein, fällt mir schwer, selbst aufrechtes Sitzen klappt nur sehr kurz.  Den Bell Grad habe ich erstmalig ärztlich einschätzen lassen.- Ich denke, ich war bisher immer zu optimistisch...
Ich werde nun frühpensioniert. Nur auf die Urkunde warte ich noch. Ich habe eine Homepage und einen Instagramaccount zu ME/CFS und Schule gestartet, auch auf LinkedIn will ich versuchen mit dem Thema auch Schulen und Lehrkräfte zu erreichen. Uta Behrends hat wohl die Zahl von geschätzt 100.000 betroffenen Kindern genannt. Das ist ja wohl mehr als entsetzlich...
Beim ersten Anlauf hatte ich einen Grad der Behinderung von 30% zugesprochen bekommen. Meine behandelnden Ärzte haben nur milde gelächelt und auf Widerspruch, mit dem Ziel mindestens 70% zu bekommen, gedrängt. Der ist nun ausformuliert Dank der Hilfe von Frau Dr. Kelle-Herfurth, Bettina Maurer hat mir noch ein paar Tipps gegeben und mein Mann mich immer wieder zurechtgestutzt, wenn ich meinen Zustand bagatellisiert habe.
Das Coaching war wirklich sensationell und hat mir sehr geholfen Perspektive zu finden und im Coping noch besser zu werden. Heute findet es zum Letzten Mal statt und ich werde es vermissen.

ok. ich werde diesen Status Quo akzeptieren müssen...
Frühpensionierung und GdB werden kommen.
Frühjahr 24
Und wieder geht ein Quartal ins Land...
Der GdB wurde auf 60 mit Merkzeichen G wertgelegt. Für eine Klage auf 70% reichte meine Energie nicht. Die Frühpensionierung ist durch. Völlig schmucklos und nüchtern, aber so ist es nun mal.
Der Sommerurlaub war recht ernüchternd. In diesem Jahr ging deutlich weniger, als im Jahr zuvor. Erst im Rückblick begriff ich einen Zusammenhang mit den reduzierten Betablockern und mit dem neuen Magnesium, was ich offensichtlich nicht gut vertragen habe... - Ach, hätte ich doch meine alte Lernfähigkeit und mein flottes Hirn wieder...
Wobei das eigentlich genau das richtige Stichwort ist: Mein Hirn hat sich deutlich gebessert. Ich vermute, dass das Methylenblau da tatsächlich seine Dienste geleistet hat. Ich kann mich wieder deutlich besser konzentrieren, ich kann wieder planen und organisieren, strukturieren und entscheiden.- All dies lag so lange brach...
Meine Baseline habe ich sukzessive weiter ausgebaut, sodass meine Tage mit Ausnahme der Mittagspause recht gut gefüllt sind. Ich mache jede Tätigkeit maximal 1h und achte darauf körperliche und kognitive Aktivitäten abzuwechseln. So komme ich ganz gut durch den Tag.
Um wieder etwas Sinnhaftes in mein Leben zu bringen, habe ich Kontakte zu Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern aufgenommen, damit diese über das Krankheitsbild aufgeklärt werden und so weiteres Leid für erkrankte Kinder und Jugendliche vermieden werden kann. Ich habe gute Rückmeldungen bekommen und arbeite diesbezüglich auch mit diversen Organisationen zusammen, was die Sache hoffentlich gut voranbringt.- Neben Aufklärung und Vernetzung schreibe ich an zwei Heften zur Thematik, eins ist bereits im Kindle-Self-publishing erschienen.
Damit ich meine beraterischen Vorhaben zielführend umsetzen kann, habe ich einen Kurs begonnen. Mal sehen, was daraus wird. Ihr seht, ich beginne weniger um mein eigenes Wohlergehen zu kreisen.- Auch familiäre Themen werden wieder mehr, wie auch nsr zahlreichen Tierkinder, die mir in diesem Frühsommer extrem gut getan haben... - Wie heißt es so schön? Das Leben geht weiter...- Na denn mal los!


Mal sehen, was noch alles kommt. Der Weg scheint mir jedenfalls noch deutlich nicht zu Ende zu sein. Wer weiß? Ich bin mir sicher, dass diese Krise durchaus ein Geschenk für mich bereit hält. Noch kann ich es nur noch nicht so ganz fassen...
Ich habe auch noch andere Themen...
Strippen ziehen für Kinder & Jugendliche mit ME/CFS und LongCOVID...
Sommer 2024