Meine Symptome bei ME/ CFS

Ich habe eine so üppige Vielfalt zu bieten, dass ich es selbst manchmal nicht glauben kann...
Überblick
Ich habe keine medizinische Ausbildung und empfehle hier auch keine Medikation. Mir geht es lediglich darum, dass Betroffene feststellen, dass sie nicht alleine sind und Interessierte merken, wie schwierig der Umgang mit diesem Krankheitsbild ist.
Was ist los mit mir?
Hier zeige ich, wie die Vielfalt der Symptome meinen Alltag massiv einschränkt.
Mittlerweile mehren sich die medizinischen Erkenntnisse rund um diese Erkrankung und helfen Ärzten und Betroffenen zu verstehen, dass und welche körperlichen Ursachen es gibt. Dennoch: Niemals hätte ich mir ausmalen können, wie krass mein Leben mit "nur" mildem bis moderatem ME/CFS aussehen würde:
Kennzeichen von ME/CFS
PEM und Fatigue
minimalste Anstrengung verschlechtert den Zustand für die nächsten Tage, dabei ist ohnehin schon keine Energie vorhanden
Das Spike Protein scheint den ACE2 Rezeptor anzugreifen. Dieser sitzt in vielen Zellmembranen- besonders auch in den Membranen der Mitochondrien. Liegt hier also eine Schädigung vor, erscheint es mir nicht verwunderlich, dass die Energieproduktion des Körpers nicht mehr richtig funktioniert. Ja, Mitochondriopathie gilt laut Schulmedizin als nicht heilbar. Ich setze auf einen Arzt, der es wacker dennoch mit mir versucht.

Fatique heißt das Stichwort und es geht hierbei keinesfalls um Müdigkeit. Den Begriff empfinde ich als entsetzlich verharmlosend! Muss man erlebt haben, um es zu verstehen. Nein: Ich war nie müde. Das ist ein ganz anderes Gefühl! Ich war unfassbar erschöpft. So, dass ich nicht antworten konnte, so sehr, dass ich kaum eine andere Liegeposition einnehmen konnte. Jedes Geräusch war zu viel, Verdauung so anstrengend, dass nach dem Essen gar nichts mehr ging und ich wirklich in eine Art Delirium glitt. Gerne hätte ich den erlebten 20 Stunden Geburtsvorgang täglich gegen meine Fatigue eingetauscht. Alles ist damit anstrengend, Erleichterung gibt es nicht. Nicht einmal nachts. Mit diesem Wissen legt man sich abends hin, weiß um die nahende Schlaflosigkeit, die zunehmenden Schmerzen und darum, dass auch der nächste Tag keinerlei Erleichterung bringen wird. Das war die härteste Zeit meines Lebens und ich habe viel Verständnis für Schwerstbetroffene, die sich für Euthanasie interessieren...

Mein Stoffwechsel war früher stets ein flotter. Ich hatte viel Hunger, konnte essen, was ich wollte und hatte Energie im Überfluss. Das ist nun vorbei. Ich lerne (mühsam, aber immer besser), was zu viel Energie zieht:

-Verdauung (ca. 1h nach einer Mahlzeit bin ich völlig platt)

-Bewegung (vor allem, wenn es stereotype Bewegungen sind- Ich wechsle deshalb möglichst schnell die Tätigkeit, sodass nicht immer die selben Muskeln betroffen sind. Langwierige Tätigkeiten teile ich in Mini-Häppchen auf- insgesamt kann ich zurzeit ca. 4,5h am Tag "aktiv" sein- dazu gehört alles, bei dem die Beine unten sind, also auch im Sitzen essen oder reden)

-Körperhaltung (ja richtig gehört, einfach nur Positionen zu halten kann unfassbar schwer sein und alles aufrechte- auch aufrechtes Sitzen- und mit gestreckten Armen ist mir ein Graus)

-Denkvorgänge (ich versuche mein Gehirn in Ruhezeiten möglichst energiearm laufen zu lassen, Entscheidungen und Diskussionen sind nur während meiner guten Tagesphasen drin- es gab Zeiten, zu denen mich die Entscheidung "Rührei oder Spiegelei?" energetisch überfordert hat)


PEM oder PESE: Post Exertional Malaise oder postexertionelle Symptomexazerbation
Ich habe lange gebraucht um dieses Phänomen zu verstehen: Erst als ich begonnen habe, meine Energiewerte täglich in eine Exceltabelle einzutragen, fiel mir auf, dass meine Symptomverschlechterung im Regelfall zwei Tage nach einer Anstrengung (wie z.B. einem Arztbesuch) erfolgte. Diese Verzögerung in der Belastungsintoleranz erschwert die Zuordnung von Gesundheitszustand und Auslöser erheblich.

von der endothelialen Dysfunktion bis zur Endothelitis
-flotter Durchfluss benötigt glatte Rohre
rund um meinen Oberkörper scheint eine Rouladenklammer straff gezogen
Wenn die auskleidenden Zellschichten der Blutgefäße geschädigt sind, zieht das vor allem Probleme nach sich, welche sich dem Bereich Herz-Kreislauf-Erkrankungen zuordnen lassen. Zudem vermutet man eine Überaktivierung von Blutplättchen, eine eingeschränkte Verformbarkeit der roten Blutkörperchen und vermehrte Mikrogerinnsel. Ich selbst würde denken, dass die folgenden meiner Symptome hier passend zuzuordnen sind:

Brustenge -Welch seltsames Symptom! Erst dachte ich, ich würde Angst fühlen, ob meiner schwierigen gesundheitlichen Situation. Erst als diese Problematik bei einem Schwimmgang in recht kühlem Wasser sehr plötzlich ausgelöst wurde und dies trotz guter Stimmung einen ganzen Tag lang anhielt, dämmerte mir, dass es wohl doch eher ein körperliches Symptom war. Es war, als läge ein riesiger Metallrouladenring um meinen Oberkörper. Besonders gerne kommt dieses Phänomen, wenn ich einzuschlafen versuche oder tagsüber nach "größerer Anstrengung". (Wir reden hier über so herausfordernde Dinge wie: Blumen gießen, Zähne putzen, spülen, ...)

Kurzatmigkeit - Diese schloss sich direkt an das vorige Erlebnis an. - Gut, auch bei so schwierigen Aufgaben wie Treppensteigen und Arme heben, konnte mich die Japserei ereilen.- Ich sage euch, wenn man denkt, dass das Herz betroffen ist, dann ist das gefühlsmäßig eine ganz andere Nummer, als wenn z.B. der Darm rumzickt.

Spürbarer Puls in Blutgefäßen - Auch dies ist ein durchaus irritierendes Phänomen. Einige Wochen pulsierte es direkt unter dem unteren Rippenbogen links - auch von außen deutlich sichtbar - von innen nervtötend spürbar. Dann war ein Gefäß in der Nähe der linken Achselhöhle dran. Auch im Ohr konnte ich oft ein pulsierendes Knattern vernehmen, ich hatte das Gefühl, dass ich meinen eigenen Blutfluss hörte. - Nicht schlimm, aber störend und ein Hinweis, dass da etwas ganz gewaltig nicht passt.

Mangeldurchblutung in der Peripherie &
Neubildung von Kleingefäßen - Ständig waren irgendwelche Körperareale "eingeschlafen". Mit Vorliebe die Hände. Aber auch die Kopfhaut, das Gesicht, die Arme und die Füße spielten das Spiel mit. Noch dazu konnten sie irre kalt werden. - Aber dazu an anderer Stelle mehr. - An den Fußgelenken und später am Oberschenkel entstanden plötzlich "Besenreiser". Nun gut, es gibt Schlimmeres!

reduzierter zerebraler Blutfluss
-viel mehr als Kopfschmerzen
analoge Uhren kann ich nicht mehr lesen

Die Kopfschmerzen, welche ich unter anderem einer Mangeldurchblutung zuschreiben würde, wirken auf mich dumpf und eher wie ein Hintergrundrauschen. Im Grunde sind sie so gut wie immer da. Sie liegen auf dem Kopf wie eine zu enge Mütze. Ich empfinde sie als nervig und sie schränken mich bei kognitiven Aufgaben ein, da sie dann durchaus gewaltiger werden können.

Brainfog kenne ich erst, seitdem ich krank bin. Der Begriff beschreibt das eigene Erleben wirklich gut. Wie im Nebel nehme ich die Welt dann wahr. Möglicherweise ist meine Reizfilterung dann gestört- mich zu erreichen ist für mein Umfeld dann definitiv schwieriger. Mein Brainfog hat sich dank der Nikotinpflaster krass gebessert.- Dazu an anderer Stelle mehr.

Schwindel- nun ja, klar hat man das mal erlebt- zumindest nach Alkoholkonsum. Dass das aber so krass werden kann, dass ein bloßer Wechsel der Blickrichtung zu viel ist, kannte ich nicht. Schwindel ist schon wirklich ein beschissenes Symptom, da es einen kognitiv wie auch motorisch völlig ausbremst.

Sehstörungen - hmm- Die gravierendsten meiner Sehstörungen haben meines Erachtens eine andere Ursache. Möglicherweise ist aber meine Unfähigkeit am Morgen z.B. Texte scharf zu fokussieren auf eine mangelhafte Durchblutung zurückzuführen?

Orthostatische Intoleranz - POTS (Posturales Tachykardiesyndrom) ist ein eigenständiges Krankheitsbild, welches häufig mit ME/CFS assoziiert ist. Ich erkläre es ausführlicher im Zusammenhang mit dem Nervensystem, da mir dieser besonders einleuchtet.

kognitive Einschränkungen - Auch hierauf gehe ich im Rahmen des Nervensystems näher ein. Deutlich wird, dass ME/CFS eine Multisystemerkrankung ist und dass sich gar nicht genau sagen lässt, welche Problematik nun mehr Anteil an welchem Symptom hat. Ich persönlich denke, dass das auch im Detail oftmals egal ist, wenn man das Grundprinzip verstanden hat und generelle Ansatzpunkte kennt.
neurokognitve Symptomatik
-auch hier beeindruckt die Vielseitigkeit
analoge Uhren kann ich nicht mehr lesen
Kopfschmerzen hatte ich oben ja schon erwähnt. Man kann aber auch ganz andere Kopfschmerzen haben: plötzlich einschießend und stechend. Diese ließen sich bei mir recht gut zuordnen. Es war der Trigeminus, der mir immer wieder dieses Spektakel bereitete. Ich hätte ihn auf mein Gesicht aufzeichnen können, so genau spürte ich seinen Verlauf. An manchen Tagen nur als Brennen, oder als minimalen Druck, so als wäre es rings um ihn etwas zu eng. Auch an anderen Stellen spielten die Nerven ihr eigenes Spiel. Die Muskelschmerzen waren nichts dagegen. Nervenschmerzen bringen einen zum Aufbäumen in der Nacht. Das einzig Gute: Sie waren immer nur kurz einschießend bei mir und verschwanden dann wieder.

Sehstörungen- Über viele Monate hinweg sah ich nachts zunächst grüne, später lila "Polarlichter". Ich freundete mich mit diesen an und schaute dem bunten Spektakel beim Einschlafen zu. Irritierend fand ich das schon. Zudem fiel auf, dass ich nach Lichtexposition extrem lange Nachbilder sah. Auf Spiekeroog blieb der Strand einmal 15 Minuten rot gefärbt für meine Augen.- Nein, außerhalb meines Kopfes hatten keine Katastrophen stattgefunden. Auch eine Art Schneegestöber hatte ich zu bieten. Einfach weiße Punkte, die das Sehfeld durchtanzten...

Orthostatische Intoleranz - POTS (Posturales Tachykardiesyndrom), oben schon genannt. Meine Blutgefäße in den Beinen bekommen nicht adäquat die Informationen, dass sie sich zusammenziehen sollen, wenn ich aufstehe. Das bedeutet, dass ich kaum stehen kann, schon gar nicht, wenn ich dabei so anstrengende Dinge tun soll, wie reden, essen, oder denken... - Ich spüre das Blut regelrecht versacken- und merke, dass dieses Blut dringend im Kopf benötigt würde. Mir wird schwummrig, Brainfog setzt ein. Die absolute Horrorbeschäftigung für mich wäre zurzeit ein Sektempfang (stehen, etwas in der Hand halten, sprechen, Reize filtern, zuhören und wohlmöglich auch noch Häppchen verdauen...)

kognitive Einschränkungen - Holla die Waldfee. Hier habe ich was zu bieten. Und sagt jetzt nicht, "Ah, das habe ich auch manchmal!" - Ich sage es euch: Es ist kein schönes Gefühl, wenn die 80 jährigen Eltern sehr offensichtlich fitter sind, als das Töchterlein...

-Wortfindungsstörungen (Dank eines großen Wortschatzes kann ich das meistens überspielen. Wenn ich aber ein bestimmtes Wort benötige, habe ich keine Chance. Bei Namen gibt es kein Entrinnen und da ist es dann mitunter peinlich.)
-Konzentrationsstörungen (Bei der letzten Strophe eines Liedes fällt mir plötzlich auf, dass ich den einen Griff nicht kann. Ich habe diesen in den vorigen Strophen aber gegriffen.- Keine Chance diesen durch bewusstes Nachdenken wieder zu rekonstruieren!- Der Trockner läuft, die nasse Wäsche steht davor. Ihr ahnt es. Der Trockner selbst ist: leeer!- Ich merke, dass ich im Schlafanzug unter der Dusche stehe. Anstatt nun wenigstens den Duschhebel umzulegen, schäle ich mich mühsamst bei laufendem Wasser aus meiner Kleidung...- Meine Tage sind voll von solchen Geschichten...)
-Sinnes- & Wahrnehmungsstörungen (Das Autofahren bei Niederschlag und Dunkelheit musste ich einstellen, da mein Hirn mit all den Lichtreizen völlig überfordert war. Zu Beginn roch ich immer einen Geruch, bei dem es dauerte, bis ich merkte, das er real gar nicht vorhanden war. Erst als der Sommer dem Ende entgegen ging und ich mich häufiger im Haus aufzuhalten begann, dämmerte mir, dass nicht überall Hundehaufen liegen konnten. Reize konnte ich viele Monate besonders abends kaum noch filtern. In Gesprächen konnte ich so Relevantes und Nichtrelevantes nicht voneinander trennen. Es war so anstrengend, dass ich mich mit Kopfhörern zu meinen Lieben setzte um allen zu signalisieren, dass mit mir in keiner Weise mehr kommuniziert werden kann.)
-Bewegungskoordinationsstörungen (Die waren zu Beginn recht krass und der ausschlaggebende Punkt für meine Arbeit mit einem Personaltrainer. Ich war nicht mehr in der Lage, die Tai Chi Bewegungen auszuführen und musste befürchten wild verknotet umzufallen. Tatsächlich habe ich mich bis heute nicht wieder auf mein E-Bike getraut. Reizfülle, Muskelarbeit und Koordination scheinen mir ein mehr als gewagtes Trio zu sein. Mein Handy wird hinten nur noch vom Tesafilm zusammengehalten.- Noch nie habe ich es so häufig hingeworfen. Ein Terassentisch ist in 1000 Teile zersprungen, dabei habe ich die Berührung nicht einmal gemerkt, Gläser habe ich mehrfach nebenTischen abgestellt, was selten gut gegangen ist...)
-Muskelzuckungen & co
(Ha, das waren meine lustigsten Symptome. Die Muskeln konnten bei mir zwei verschiedene Dinge: Einmal bildete sich über dem linken Knie innen eine walnussgroße Beule, die "plopp" machte und wieder verschwand. Ich konnte schon immer vorher spüren, dass das gleich losgeht. Das zweite Muskelzucksymptom habe ich erst gar nicht erkannt. Ich griff an meinem Bauchnabel nach dem Handy, aber da war es gar nicht. Es war wie ein Vibrieren vom Handy. Immer an der gleichen Stelle, glücklicherweise auch nur so lange, wie ein durchschnittlicher Anrufer benötigt, um genervt aufzugeben...- Gut, dann gab es noch weniger Lustiges: "Knieversagen"- aus irgendeinem Grund versagen immer wieder die Muskeln, welche das linke Knie stabilisieren und es sacke bei Belastung weg, sodass die Knochen hörbar aufeinander rumsen und ich mich abfangen muss, oder falle, was mitunter weitere Probleme nach sich zieht...)
Schlafstörungen
-Einschlafstörung, Durchschlafstörung, Ausschlafstörung in einer Nacht
kein Wunder, dass keine nächtliche Erholung stattfindet
Ich fand es immer wichtig einen relativ regelmäßigen Rhythmus zu haben. Im Normalfall ging ich um 22.00 Uhr ins Bett, zeitweise auch eher- einfach, weil es eh nichts gab, was ich um die Uhrzeit noch hätte machen können. Oft lag ich dennoch bis 2.00 Uhr wach. Gerne wachte ich nach 1-2 Stunden erneut auf und lag wieder für eine Stunde wach. Das typische Aufwachen um 5.00 Uhr konnte dennoch in einer solchen Nacht auch vorkommen.
Ja, das war eine Plage und der Gesundheit zuträglich war das auch nicht. Und: NEIN! Ich habe nicht so schlecht geschlafen, weil ich angespannt oder ängstlich war. Mein Gefühl sagt mir, dass der Hirnstoffwechsel "schuld" war.
Dysregulation des Immunsystems
-aus jeder Mücke wird sofort ein Elefant
selbst stinknormale Pickel legen mich völlig lahm
Über Monate hinweg plagte mich abends ein schweres Grippegefühl. Ich konnte nur ermattet liegen, hatte Fieber und entsetzliche Gliederschmerzen. Nichts ging dann mehr.
Meine Lymphknoten schwellen bei jedem kleinen Pickel auf Maximalgröße an, sodass jede Bewegung in dem Areal schmerzt.
Entzündungen im ganzen Körper legen mich immer wieder lahm. Ich lernte den genauen Sitz all meiner Speicheldrüsen kennen- auch an anderer Stelle gab es eine Drüse von der ich noch nie gehört hatte, die sich immer wieder wichtigtuerisch aufplusterte. - Naja- und dann gab es natürlich noch die üblichen Verdächtigen: Nebenhöhlen, Mittelohr, Hals, Sehnenscheiden- irgendwo schmerzt es immer und meine Infektneigung nervt nach wie vor. - Mein Körper macht aus jeder Mücke einen kräftigen rosa Elefanten: beeindruckend, raumfüllend und nicht zu ignorieren. Ja, das hätte ich gerne wieder anders!