Unser Gehirn sucht ja immer in allem nach Sinn. – Da hat es aber mit me/cfs echt eine hammermäßige Aufgabe bekommen. Ich versuche mal ihm zu helfen, indem ich schaue, was ich seit meiner Erkrankung neu gelernt habe: Zu Beginn meiner Erkrankung bin ich auf Neurographik gestoßen. Das war eine willkommene energieschonende Beschäftigung für die nicht enden wollenden Stunden des Tages. Irgendwann habe ich dann begonnen meine Stimmungen in Bildchen auszudrücken – die ihr hier sehen könnt. Ich habe Menschen kennen und schätzen gelernt, auf die ich sonst nie gestoßen wäre. Ich habe gelernt das, was ist, in einem Maße zu akzeptieren, von dem ich vorher nur hätte träumen können. Meine Erfahrung: Menschen ahnen gar nicht, was sie alles aushalten können und wie man auch leben kann… Mit arg reduziertem Hirn habe ich gelernt Sauerteig anzusetzen und zu pflegen und daraus in vielen Einzelschritten superleckeres Brot zu backen, was nun unsere tägliche Brotversorgung stellt und möglicherweise irgendwann auch mal verkauft wird. Ich habe gelernt mit meiner Energie zu haushalten und diese für mich gewinnbringend einzusetzen. Dazu gehört ein genauer Blick auf Tätigkeiten und Mitmenschen und ein mutiges „Nein“- Sagen, wenn mir Menschen und Beschäftigungen nicht dienlich sind. – Ja, das ist eine Herausforderung- aber ich werde besser darin. Außerdem habe ich trotz meiner kognitiven Defizite viele neue Gitarrenstücke gelernt. Das war extrem wichtig um wieder Gefühle spüren und auszudrücken zu können. Will ich mich konkret an einen Griff erinnern, dann habe ich keine Chance, intuitiv funktioniert das Abspulen der Anfängergriffe. Die fortgeschrittenen Griffe sind aus dem Hirn verschwunden und neue Griffe bei gleichzeitig neuem Gesang zu lernen ist noch utopisch…
Ich schaffe es bereits für meine liebsten Menschen da zu sein und auch die Grundpflege meiner Papageien gelingt mir wieder. Weben, nähen, stricken, malen als Handarbeiten, Gitarre, Handpan und auch wieder erste Geigentöne (die Körperhaltung ist hier der Endgegner) und tada: das hören von ruhiger Musik sind wieder in meinen Alltag eingezogen.
Brot & Weihnachtsplätzchen zu backen, wie auch andere Sauerteigrezepte auszuprobieren bereitet mir wieder Freude, auch für die Komposition meiner Gewürzmischungen gibt es bereits wieder erfolgversprechende Zeitfenster am Tag. Ich habe im und am Haus mit Instandsetzungsarbeiten begonnen- wenn man einmal akzeptiert hat, dass es nur 30 Minuten Zeitfenster für Derartiges gibt, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten… Und ihr glaubt es gar nicht: Nicht nur den Garten in Ordnung zu halten, sondern selbiges auch im Haus tun zu können, gibnt mir tatsächlich ein Gefühl von Selbstwirksamkeit…
